Stellungnahme des UPI-Instituts vom 23. Januar 1999, incl. Nachträge vom 8.2. und
25.2.99:
Die geplanten Ausnahmeregelungen für
energieintensive Betriebe werden aufgrund einer Intervention der EU-Kommission nun nicht
realisiert. Die zunächst geplante Lösung mit der Freistellung von 27 Branchen wurde von
der EU als ungerechtfertigte Beihilfe zurückgewiesen.
Für das gesamte produzierende Gewerbes soll
nun ein reduzierter Steuersatz gelten, der bei Strom, Heizöl und Gas bei etwa 20 Prozent
des Normalsatzes liegt.
Zugleich soll auf Vorschlag von
Bundeswirtschaftsminister Müller eine Regelung getroffen werden, nach der einzelnen
Unternehmen durch die Ökosteuer keine Mehrbelastungen entstehen sollen. Wenn die
Öko-Steuer-Belastungen die Entlastungen durch die Absenkungen der Lohnnebenkosten
übersteigen, soll ein Ausgleich erfolgen. Damit würde durch die Ökosteuer kein
Unternehmen mehr bezahlen als es bekommt. Zugleich würden die energieintensiven Betriebe
nicht mehr zu den Nettogewinnern gehören. Ursprünglich sollten Betriebe mit einem
Energiekosten-Anteil von mindestens 6,4 Prozent befreit werden.
Diese neue Idee, die auf den ersten Blick
sinnvoll erscheinen mag, ist wenig durchdacht und würde ebenfalls zu unsinnigen Folgen
führen:
Wenn die Unternehmen nur jeweils soviel
Öko-.Steuer zahlen müssen wie sie durch den Rückgang der Lohnnebenkosten entlastet
werden, hätte dies folgende Konsequenzen:
Bei allen Unternehmen, bei denen die Summe
der Öko-Steuer höher läge als die Einsparung bei den Lohnnebenkosten, also gerade bei
Unternehmen mit höherem Energieverbrauch, liefe die Lenkungswirkung der Öko-Steuer
völlig ins Leere. Egal wie hoch der Energieverbrauch auch ist, es müßte nur soviel
Öko-Steuer gezahlt werden wie die Einsparung bei den Lohnnebenkosten ausmacht.
Die Höhe der Ökosteuer eines solchen
Unternehmens würde nicht durch die Höhe des Energieverbrauchs, sondern allein durch die
Höhe der Lohnsumme bestimmt ! Die Unternehmen hätten damit keinerlei Möglichkeit,
die Öko-Steuerbelastung durch Einsparung von Energie zu verringern. Die einzige
Möglichkeit der Verringerung der Öko-Steuerbelastung läge darin, die Lohnkosten zu
verringern. (Dadurch sänken die Beträge der Entlastung bei den Lohnnebenkosten und damit
automatisch die Öko-Steuerschuld des Unternehmens.)
Unternehmen, die bisher in Energieeinsparung
statt in Arbeitsplatzabbau investierten, würden von dem vollen Industrieökosteuersatz
erfaßt. Im Gegensatz dazu würden Unternehmen, die sich in der Vergangenheit auf die
Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen statt der Verringerung des Energieverbrauchs
konzentrierten, besser gestellt. Durch die geringeren Lohnkosten fällt bei diesen auch
die Einsparung an Rentenbeiträgen geringer aus, wodurch die Ökosteuerbelastung
verringert wird, unabhängig von der Höhe ihres Energieverbrauchs.
Generell würden Betriebe mit hohem
Energieverbrauch und/oder geringer Zahl von Arbeitsplätzen besser- und Betriebe mit
niedrigem Energieverbrauch und/oder hoher Zahl von Arbeitsplätzen schlechter gestellt.
Mit einer solchen Regelung träte also genau
der entgegengesetzte Effekt ein, der mit einer ökologischen Steuerreform beabsichtigt
ist: Statt Anreize zur Einsparung von Energie entstünden zusätzliche Anreize zum
Abbau von Arbeitsplätzen !
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Höhe der
Öko-Steuerbelastung und der Entlastung bei verschiedenen Branchen (siehe auch die
Grafik).
|
Anteil an
Produktionskosten |
Mineralöl-
wirtschaft |
Kfz-Prod. |
Chemie |
Agrar |
Holzverarb. |
Verarbeitendes
Gewerbe |
Handwerk |
Ausgaben für Öl |
1,0% |
0,3% |
2,6% |
3,5% |
0,3% |
0,8% |
0,1% |
Ausgaben für Strom |
0,1% |
0,8% |
1,0% |
3,5% |
1,8% |
1,2% |
0,9% |
Ausgaben für Lohn |
2,8% |
24,4% |
23,7% |
31,0% |
25,3% |
24,8% |
44,0% |
Mehrkosten
Öko-Steuer |
0,02% |
0,01% |
0,06% |
0,11% |
0,02% |
0,03% |
0,01% |
Einsparung
Lohnnebenkosten |
-0,01% |
-0,05% |
-0,05% |
-0,06% |
-0,05% |
-0,05% |
-0,09% |
Tabelle: Anteile der bisherigen Energie- und Lohnkosten, der
geplanten Öko-Steuern (20% des Normalsatzes) und der Entlastung bei den Lohnnebenkosten
an den Produktionskosten verschiedener Branchen des Verarbeitenden Gewerbes; Prozentsätze
jeweils im Vergleich zu den Produktionskosten |
Es ist unverständlich, weshalb das auf der vorigen Seite
beschriebene Modell für energieintensive Betriebe, welches alle diese Probleme vermeiden
würde, nicht angewandt wird. Die Grafik zeigt als Vorschlag ein ähnliches Modell, bei
dem die Höhe der Energieabhängigkeit eines Unternehmens durch eine prozentuale Absenkung
der Öko-Steuersätze berücksichtigt wird.
Beispiel:
Ein Unternehmen mit einem Energiekostenanteil an den Produktionskosten von 10% muß 32%
des normalen Öko-Steuersatzes zahlen. Wenn dieser z.B. bei ca. 6% liegt (1. Stufe der
Öko-Steuerreform), verringert sich der Satz für das Unternehmen also auf 1,92%. Dadurch
verteuern sich seine Produktionskosten um +0,192%.
Bei einem Unternehmen mit einem Energiekostenanteil an den
Produktionskosten von 60% verringert sich der Öko-Steuersatz auf 13% des normalen
Steuersatzes oder 0,78%. Dadurch verteuern sich seine Produktionskosten um insgesamt
+0,47%.
Damit läge selbst bei einem sehr energieintensiven Unternehmen der
Einfluß der Öko-Steuer deutlich niedriger als z.B. die von Woche zu Woche schwankenden
Devisenkurse.
Gegen gerechnet werden muß zusätzlich die Entlastung bei den
Lohnnebenkosten, die abhängig von der Zahl der Arbeitsplätze ist.
Dieses Modell
| vermeidet die oben beschriebenen negativen Folgen,
|
| bietet in jedem Einzelfall den Anreiz, Energie einzusparen und
|
| führt zu einer ungehinderten Entfaltung des Arbeitsplatzeffektes
durch Absenkung der Lohnnebenkosten.
|
Nachtrag: Am 4.2.99 ist in einer Agenturmeldung zu lesen:
"Das "Wie" der Entlastung energieintensiver Betriebe
scheint noch ungeklärt. So heißt es in einem Neun-Punkte-Papier der Bonner Koalition
unter Punkt 4: "Die Ökosteuern sind dem Unternehmen zu vergüten, soweit sie das x-fache
der Entlastung durch die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge übersteigen. Die genaue
Verhältniszahl werde vom Bundesfinanzministerium "nach näheren Berechnungen zum
Steueraufkommen festgelegt".
Wenn der Zusammenhang zwischen Ökosteuerschuld und Entlastung bei den
Rentenversicherungsbeiträgen durch einen festen Faktor, also linear, festgelegt wird,
gilt das oben dargestellte: Bei allen Unternehmen, die unter diese Regelung fallen, übt
die Öko-Steuer keinen Anreiz zur Energieeinsparung aus. Ein geringerer Energieverbruach
des Unternehmens führt zwar zu einer geringeren Öko-Steuerschuld, gleichzeitig aber auch
zu einer Verringerung der Vergütung in gleicher Höhe. Nur wenn der Zusammenhang z.B. wie
im obigen Modell degressiv zum Energiekostenanteil festgelegt wird, bleibt der Anreiz zur
Energieeinsparung bestehen.
Nachtrag: Am 8.2.99 ist zu lesen: "Wird ein Betrieb
durch die Ökosteuer um 20 Prozent stärker
belastet als ihn die niedrigeren Rentenbeiträge nach dem Stand des Jahres 1998 entlasten,
bekommt er die Differenz erstattet."
Durch die Festlegung der Berechnungsbasis des Jahres 1998 für die
Rentenversicherungsbeiträge wird immerhin verhindert, daß bei der Mehrzahl der
Unternehmen ein Anreiz zur Verringerung des Lohnnebenkosten und damit der Zahl der
Arbeitsplätze entsteht. Für nach dem Jahr 1998 gegründete Unternehmen bleibt dieses
Problem aber bestehen.
Nachtrag 25.2.1999: Der Finanzausschuß beschloß am 23.2., daß
für Landwirte jetzt ebenso wie für das produzierende Gewerbe ein auf 20 Prozent
ermäßigter Steuersatz für Strom, Gas und Heizöl gilt. Voraussetzung für die
Inanspruchnahme des niedrigeren Steuersatzes für Landwirte ist allerdings -
wie schon beim produzierenden Gewerbe - eine Energiesteuer von mindestens 1000 Mark im
Jahr. Damit fallen etwa 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe aus dieser
Regelung heraus und müssen den vollen Energiesteuersatz zahlen. Erstattungen wie beim
produzierenden Gewerbe sind in der Landwirtschaft nicht vorgesehen.
Dies bedeutet, daß speziell die industrielle Agrarproduktion
(Massentierhaltung, große Treibhäuser etc.) in den Genuß des ermäßigten Steuersatzes
kommt, während arbeitsplatzintensive, kleinbäuerliche Betriebe, die ohnehin oft in ihrer
Existenz gefährdet sind, den vollen Satz zahlen müssen. Auch diese Regelung ist
ökologisch und arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv. Sinnvoll wäre dagegen auch in der
Landwirtschaft die Anwendung des oben beschriebenen Entlastungsmodells. (Ökosteuersatz in
Abhängigkeit vom Energiekostenanteil an den Produktionskosten).
Positiv sind die Beschlüsse, sowohl Strom aus regenerativen Quellen
(Wasser, Wind, Sonne, Klärgas, Biomasse etc.) als auch Öl und Gas, die in
Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit einem Jahreswirkungsgrad von mindestens 70% eingesetzt
werden, von der Ökosteuer auszunehmen. Für den schienengebundenen Verkehr und für
Oberleitungsbusse wird der Öko-Steuersatz auf Strom halbiert.
Fazit: Trotz der auf diesen Seiten beschriebenen Kritikpunkte ist es erfreulich,
daß die Ökologische Steuerreform nun endlich auf den Weg kommt. Es wird in den nächsten
Monaten jedoch entscheidend darauf ankommen, wie die nächsten Stufen der Ökologische
Steuerreform ausgestaltet werden und ob die beschriebenen Fehler dabei geändert werden.
In der jetzigen 1. Stufe der Reform ist die Wirkung der ökonomischen
Fehler (Fehlen eines Anreizes zum Energiesparen und stattdessen Anreiz zum
Arbeitsplatzabbau bei nach 1998 gegründeten Betrieben in der energieintensiven Industrie,
Förderung der industriellen Landwirtschaft) und der ökologischen Fehler (zu geringe
Belastung der Treibstoffe und Ausklammerung der Kohle und des Schweren Heizöls) noch
gering. Bei steigenden Steuersätzen müssen diese Fehler jedoch unbedingt
korrigiert werden. |
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UPI-Bericht 9
"Ökologische Steuerreform" Stellungnahme Dezember 1998
Die geplanten nächsten Stufen der Ökologischen
Steuerreform | |
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