UPI 47 Todesfälle durch Ozon
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UPI-Bericht 47

Neue medizinische Erkenntnisse über Ozon:  Sommersmog verursacht Todesfälle

Zusammenfassung

Bisher wurden als Folgen von Sommersmog meist reversible Effekte wie Augenreizungen, Lungenfunktionsstörungen, Atemnot, Entzündungen der Atmungsorgane oder Vermehrung von Asthmaanfällen diskutiert. Bei großen epidemiologischen Untersuchungen, die in den letzten Jahren in zehn Ländern durchgeführt wurden, ergab sich jetzt jedoch, daß Sommersmog ähnlich wie Wintersmog auch zu schweren akuten Atemwegserkrankungen und zu Todesfällen führt.

 

Krankenhäuser

Risiko-
erhöhung

pro x µg O3/m3

Diagnose

Quelle

New York

10%

100   max h-Wert

alle Atemwegserkrankungen

Thurston et al 1992

Minneapolis

16%

100   24-h mittel

Lungenentzündung

Schwartz, 1994a

Birmingham

14%

100   24-h mittel

Lungenentzündung

Schwartz, 1994b

Birmingham

17%

100   24-h mittel

Chronische Obstruktive Bronchitis

Schwartz, 1994b

Detroit

30%

100   24-h mittel

Lungenentzündung

Schwartz, 1994c

Ontario

13%

200   max h-Wert

alle Atemwegserkrankungen

Burnett et al, 1994

5 europ.Städte

14%

100   8-h nach 3 d

alle Atemwegserkrankungen

Spix et al., 1998

Montreal

29%

100   8-h

alle Atemwegserkrankungen, ältere Patienten

Delfino et al., 1998,1997

Tabelle 3: Einfluß von Ozon auf die Einlieferungsrate von Patienten in Krankenhäuser, korrigiert auf meteorologische Co-Faktoren

In sieben Studien wurden insgesamt 1,8 Millionen Todesfälle ausgewertet. Die medizinischen Schwellenwerte, ab denen Photooxidantien zu einer signifikanten Erhöhung der täglichen Sterblichkeit führen, liegen, gemessen an der Leitsubstanz Ozon, im Bereich von 90 bis 100 µg Ozon/m3 und damit deutlich niedriger als die gesetzlichen Grenzwerte für Ozon. Aus den vorliegenden 7 epidemiologischen Untersuchungen ergeben sich die in Tabelle 10 enthaltenen Risikofaktoren für Ozon. 

 

  Erhöhung der    

pro 50 µg Ozon/m3 als

allgemeinen Mortalität um

kardio-vaskulären Mortalität um

respiratorischen Mortalität um

maximales 1 h Mittel

2,8%

2,5%

3,5%

8 h Mittel

4,0%

2,9%

5,7%

Tabelle 10: Risikofaktoren Erhöhung der Mortalität durch Sommersmog, bezogen auf die Leitsubstanz Ozon (50 µg Ozon/m3 oberhalb 100 µg Ozon/m3, korrigiert auf mögliche Co-Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck, Grippeepidemien und andere  Luftschadstoffe), Zusammenfassung von 7 epidemiologischen Untersuchungen, korrigiert auf meteorologische Co-Faktoren

Die Berechnung der Zahl der Todesfälle durch die Ozonbelastung wurde analog den Mortalitätsberechnungen der Studien zur Monetarisierung der verkehrsbedingten externen Gesundheitskosten des Dienstes für Gesamtverkehrsfragen des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements der Schweiz durchgeführt. Durch Auswertung der Meßwerte von ca. 350 Meßstellen aus den Jahren 1990 bis 1995 wurde die Ozonbelastung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ermittelt und mit Hilfe der Mortalitätsrisikofaktoren der Einfluß von Sommersmog auf die Mortalität berechnet.

Beispiel Ozonbelastung 1991 (23692 Byte)

 

Todesfälle durch Sommersmog

Die Ergebnisse der Berechnungen zeigt Tabelle 11. Insgesamt muß damit gerechnet werden, daß im Zeitraum 1990 bis 1995 in der Bundesrepublik Deutschland ca. 23 500 Menschen durch Sommersmog verstorben sind.

 

   Gemeindegröße

1990

1991

1992

1993

1994

1995

bis 1000 Einwohner

200

260

240

190

210

220

1 000 bis 5 000 Einwohner

640

1 030

700

500

640

590

5 000 bis 20 000 Einwohner

1 070

1 450

1 170

890

990

1 060

20 000 bis 100 000 Einwohner

950

520

1 140

810

1 140

1 000

100 000 bis 500 000 Einwohner

580

480

700

480

630

640

über 500 000 Einwohner

330

280

440

320

490

490

BRD gesamt

3 800

4 000

4 400

3 200

4 100

4 000

Tabelle 11: Todesfälle durch bodennahes Ozon in den Jahren 1990 bis 1995 in der Bundesrepublik Deutschland, UPI 1999


Mortalität durch Sommersmog (17771 Byte)

Die durch Sommersmog verursachten Todesfälle lassen sich aufgrund der Wirkungsmechanismen von Photooxidantien vor allem in drei Gruppen gliedern :

  1. Todesfälle durch Verstärkung der bronchialen Überreaktionsbereitschaft bei Asthmatikern.

  2. Todesfälle durch Überbeanspruchung des Kreislaufs und durch Verstärkung des Sauerstoffmangels in lebenswichtigen Organen bei kardio-vaskulären Erkrankungen durch Beeinträchtigung der Lungenfunktionen

  3. Todesfälle durch Verstärkung akuter Entzündungsvorgänge und durch Schwächung des Immunsystems bei bakteriellen und viralen Infektionen, u.a. infektiöser Lungenentzündung

Zu 1: Asthma ist inzwischen die häufigste chronische Kinderkrankheit in Deutschland: 12 bis 15 Prozent der Kinder leiden an dieser und verwandten Atemwegserkrankungen. Heute sterben in der Bundesrepublik Deutschland ca. 5 500 Menschen pro Jahr an Asthma. Wie in Kapitel "Risikogruppen" beschrieben, führen erhöhte Ozonkonzentrationen zu einem Anstieg der Zahl und der Schwere von Asthmaanfällen.

Zu 2: In zahlreichen Untersuchungen der letzten Jahre ergab sich, daß erhöhte Ozonkonzentrationen zu einer deutlichen Verringerung der Lungenfunktionen (u.a. Atemvolumen, Einatmungs- und Ausatmungskapazität) und zu Verengungen und Verkrampfungen des Bronchialsystems führen. Dabei handelt es sich um den Versuch des menschlichen Organismus, die für die Ozonschädigungen empfindlichsten Bereiche (Schleimhäute des Atemsystems) vor dem vollen Ausmaß der Ozonkonzentration zu schützen. Durch diesen Schutzmechanismus wird erreicht, daß insgesamt weniger Ozon, aber damit gleichzeitig auch weniger Sauerstoff in die empfindlichen Lungenbereiche und damit ins Blut gelangt. In der Folge muß das Herz entsprechend mehr leisten. Dies kann zu einer Überbeanspruchung und bei kardio-vaskulären Erkrankungen, z.B. Herzinfarkt, zu einer Verstärkung lebensbedrohlicher Sauerstoffmängel führen, die zum Tode führen kann.

Zu 3: Die durch Ozon hervorgerufenen Entzündungsprozesse im Lungengewebe sind durch zahlreiche Untersuchungen am Menschen belegt und gelten inzwischen als wichtigster pathogener Mechanismus der Gesundheitsgefährdung durch Ozon. In zahlreichen Untersuchungen an Tieren und am Menschen ergab sich, daß erhöhte Ozonkonzentrationen zusätzlich zu einer Suppression von Lymphozyten, Monozyten, T-Zellen und Makrophagen als wichtigen Bestandteilen des Immunsystems führen. Dadurch führt Ozon auch zu einer Verstärkung bakterieller und viraler Infektionen. Wie in Kapitel "Akute Erkrankungen - Einlieferung von Patienten in Krankenhäuser" beschrieben, führen erhöhte Ozonkonzentrationen u.a. zu einer Zunahme der Einlieferung von Patienten mit Lungenentzündung in Krankenhäuser. Heute sterben in der Bundesrepublik Deutschland ca. 18 000 Menschen pro Jahr an Lungenentzündung und ca. 12 000 Menschen pro Jahr an Bronchitis.

In allen drei Gruppen handelt es sich bei der überwiegenden Zahl der Patienten nicht um bösartige oder irreversibel fortschreitende Erkrankungen, die auch ohne die Einwirkung von Photooxidantien zum Tode geführt hätten, sondern in den meisten Fällen um akute Erkrankungen. Photooxidantien verstärken in diesen Fällen die Auswirkungen der vorbelastenden Krankheiten in einem solchen Maße, daß bei 3 200 bis 4 400 Patienten pro Jahr der Tod eintritt. Bei der Berechnung dieser Zahlen wurde entsprechend den zugrunde gelegten epidemiologischen Studien nur die durch Sommersmog verursachte Übersterblichkeit gezählt. Ohne die Einwirkungen erhöhter Photooxidantien-Konzentrationen hätten die meisten dieser Menschen langfristig überlebt.


Grenzwerte für Ozon

Aus den dargestellten Gründen bedürfen die bislang gültigen Grenzwerte für Ozon dringend einer Revision.

Dies betrifft vor allem den 1995 in dem Sommersmoggesetz festgeschriebenen Auslösegrenzwert für Sommersmogalarm in Höhe von 240 µg Ozon/m3 und den Warngrenzwert für die Bevölkerung von 180 µg Ozon/m3.

Frühere Untersuchungen über Gesundheitsschäden durch Ozon, die vor allem in Form von Klimakammerexperimenten mit reinem Ozon an gesunden Erwachsenen über wenige Stunden Expositionszeit durchgeführt worden waren, führten zu der falschen Einschätzung, daß durch Ozon im wesentlichen nur Schleimhautreizungen und Änderungen einzelner Lungenfunktionsparameter entstehen.

Sommersmog besteht jedoch aus mehreren aggressiven Substanzen (Photooxidantien wie z.B. Wasserstoffsuperoxid, Salpetersäure, Ozon, Peroxyacetylnitrate und andere Peroxynitrate und einer Reihe neuer, erst kürzlich entdeckter Substanzen, siehe dazu die neuen Untersuchungsergebnisse von K. Ballschmiter, Akademie für Technikfolgenabschätzung Baden-Württemberg), von denen normalerweise nur Ozon als gut meßbare Leitsubstanz gemessen wird. Eine Normalbevölkerung incl. verschiedener Risikogruppen (Kinder, Ältere, Asthma- und andere Atemwegserkrankte, Allergiker u.a.), die längere Zeit höheren Sommersmogkonzentrationen ausgesetzt ist, zeigt deshalb schon bei niedrigeren Ozonkonzentrationen deutlich stärkere Gesundheitsschäden als die gesunden Probanden kurzzeitiger Klimakammerexperimente mit reinem Ozon.

Das Sommersmoggesetz, welches keinen Schutz vor gesundheitlichen Schäden durch Ozonspitzenbelastungen bietet, muß dringend novelliert werden. Das Sommersmoggesetz kann die Ozonspitzenbelastung der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland nur um 0,01 bis 0,015% reduzieren. Durch geeignete Maßnahmen, insbesondere eine Herabsetzung der Auslösegrenzwerte (siehe z.B. den Greenpeace-Vorschlag für ein neues Sommersmoggesetz in UPI-Bericht 48), kann die Ozonspitzenbelastung der Bevölkerung wirksam um 51 bis 72% verringert werden.

Ozongrenzwerte  (23577 Byte)

Der seit über einem Jahrzehnt gültige EU-Grenzwert zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung in Höhe von 110 µg Ozon/m3 (8-h-Mittel) muß endlich durchgesetzt und auf 90 µg Ozon/m3 reduziert werden. Dieser EU-Grenzwert wird seit Jahren an über 98% aller Meßstationen in der Bundesrepublik Deutschland überschritten.

 

Inhalt UPI-Bericht 47 Seite
Einführung

1

Tierversuche

3

Messungen am Menschen

4

Epidemiologische Untersuchungen unter realistischen Bedingungen

4

Mortalität

7

Akute Erkrankungen - Einlieferung von Patienten in Krankenhäuser

10

Risikogruppen: Asthma

12

Immissionsbelastung der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland durch bodennahes Ozon

14

Berechnung der Todesfälle durch bodennahes Ozon

20

Grenzwerte für Ozon

22

Grenzwertüberschreitungen 23
Änderung des Meßverfahrens im Sommersmoggesetz

25

Zusammenfassung und Konsequenzen

26

Tabellenverzeichnis

28

 

UPI-Bericht 47 "Neue medizinische Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen von Sommersmog - Berechnung der durch Sommersmog verursachten Todesfälle in der Bundesrepublik Deutschland", Juli 1999

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