Bewertung Rechenmodell
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Bewertung des Rechenmodells zur Berechnung der Planfälle

Das von Prof. Wermuth entwickelte und verwendete Rechenmodell unterliegt einer Reihe von Einschränkungen, deren Kenntnis zur Beurteilung der Ergebnisse der Testplanfälle notwendig ist.

Das Modell geht von einem jeweiligen MIV-, ÖV und Radnetz, der Bevölkerungsstruktur und der PKW-Verfügbarkeit aus und berücksichtigt im wesentlichen nur Änderungen der Reisezeit bzw. Kostenänderungen, die über Stundensätze in Zeit umgerechnet werden. Psychologische Faktoren wie Attraktivitätsänderungen von Verkehrsmitteln, Änderungen im Image, im subjektiven Sicherheitsgefühl (Fahrrad- und Fußgängerverkehr) oder Trendänderungen wurden im Modell bei der Berechnung der Planfälle nicht berücksichtigt.

Ein Beispiel: Das Führen des Fahrradverkehrs in Hauptstraßen zusammen mit dem Kraftfahrzeugverkehr führt in dem Modell zu demselben Ergebnis wie die Einrichtung eigener Radverkehrsanlagen wie Fahrradspuren (z.B. Bismarckstraße) oder Fahrradstreifen (z.B. Sofienstraße), da in beiden Fällen die Fahrgeschwindigkeit der Fahrradfahrer gleich bleibt. Attraktivitätserhöhungen des Fahrradverkehrs und das Erschließen neuer Potentiale für den Fahrradverkehr durch das Anbieten sicherer Fahrradverbindungen, wie es in Testfall 2 und in Planfall 3 vorgesehen ist, blieben in dem Rechenmodell unberücksichtigt. (Wenn im folgenden von Rechenmodell gesprochen wird, beziehen sich die Angaben auf das zur Berechnung der Testfälle 1 und 2 und des Planfalls 3 verwendete Rechenmodell. Im Prinzip sind mit dem von Prof.Wermuth entwickelten Rechenmodell auch andere Parameter als Zeit modellierbar. Attraktivitätsänderungen sind z.B. über eine Änderung subjektiver Widerstandswerte bzw. über Szenarien rechenbar. Dies erfolgte jedoch bei der Berechnung der Planfälle nicht.)

Selbst die Einführung der Verkehrsberuhigung in allen Wohngebieten führt im Rechenmodell zu keiner Attraktivitätsänderung für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr.

Die im Testfall 2.2 errechnete Erhöhung der täglichen Fahrradfahrten in Heidelberg in Höhe von 21,6 % ist deshalb ausschließlich die Folge der unterstellten Restriktionen (vor allem Parkraumbewirtschaftung) im MIV-Bereich. Ein Umsteigen vom Auto auf das Fahrrad infolge eines Ausbaus des Fahrradnetzes und einer deutlichen Verbesserung der Fahrradbedingungen (Reduzierung der Geschwindigkeiten des Kfz-Verkehrs) wurde nicht berücksichtigt. Als Übergangswahrscheinlichkeit zum Fahrrad wurde die im Jahr 1988 über die Verkehrserhebung gemessene Wahrscheinlichkeit der Fahrradnutzung in Abhängigkeit von der Bevölkerungsstruktur (insbesondere vom Alter) benutzt. Diese Übergangswahrscheinlichkeiten gelten natürlich nur für die schlechten Fahrradbedingungen im Jahr 1988. Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen über die Fahrradsituation in Heidelberg in dieser Zeit zeigte, daß der Anteil der befragten Fahrradfahrer, die die Bedingungen für den Fahrradverkehr als schlecht beurteilen, mit 53 % in Heidelberg über 12 mal so hoch ist wie in Münster (4,3 %). Nach der Untersuchung fühlten sich Dreiviertel (!) aller Menschen, die in Heidelberg Fahrrad fahren, dabei gefährdet. Dies zeigt das Potential einer Verbesserung der Fahrradbedingungen, wie sie in Testplanfall 2 vorgesehen ist. Dies würde zweifellos zu einer höheren Attraktivität und damit zu höheren Nutzungswahrscheinlichkeiten des Fahrrads führen. Dies wird im Rechenmodell Wermuth ausgeklammert.

Die Realitätsnähe eines Rechenmodells läßt sich am besten dadurch überprüfen, daß mit ihm nicht nur in die ungewisse Zukunft, sondern auch in die bereits stattgefundene Vergangenheit gerechnet wird. Das UPI-Institut hat deshalb mit dem Modellansatz von Wermuth die Entwicklung des Fahrradverkehrs in Heidelberg von 1976 bis 1988 berechnet. Dabei wurde, ausgehend vom Ausgangsjahr 1976, eine Prognose des Fahrradverkehr bis zum Jahr 1988 gerechnet. Das Ergebnis ist eine Zunahme des Fahrradverkehrs um knapp 10 %. Tatsächlich nahm der Fahrradverkehr in diesem Zeitraum jedoch um 410 % zu. Ursache waren die  Einrichtung von Tempo 30 in allen Wohngebieten und auf einigen Hauptstraßen und die (heute in den meisten Fällen nicht mehr für sinnvoll gehaltene) Anlage von Fahrradwegen auf vielen Gehwegen durch Abmarkierung.

radsim.gif (16888 Byte)

Ähnliches gilt für die Attraktivitäts- und Imagesteigerung des Öffentlichen Verkehrs. Werden Maßnahmen zur Bevorrechtigung des Öffentlichen Verkehrs durchgeführt, wirkt sich dies im Modell lediglich in Form der physikalischen Verkürzung der Reisezeit aus. Psychologische Effekte (z.B. tägliches Vorbeifahren am Autostau im Bus auf einer Busspur oder in der Straßenbahn bei Bevorrechtigung des Öffentlichen Verkehrs) bleiben unberücksichtigt.

Entsprechend wird im Modell zwischen Straßenbahn und Bus von der Attraktivität her kein Unterschied gemacht, obwohl bekannt ist, daß schienengebundene Verkehrsmittel für die Fahrgäste eine höhere Attraktivität aufweisen als Busse. Gezählt wird im Rechenmodell nur die physikalische Reisezeit.

Auch dies unterschätzt die Umsteige-Effekte in Testfall 2 und in Planfall 3, die einen deutlichen Ausbau des Straßenbahnnetzes vorsehen.

Die vom Modell nicht erfaßten Effekte wirken alle in der Richtung, daß die Wirkungen des Testfalls 2 und des Planfalls 3 (deutliche Förderung des Umweltverbundes bei gleichzeitigen verkehrsdämpfenden Maßnahmen im MIV) unterschätzt werden.

Trotz dieser Einschränkungen des Rechenmodells und des Verfahrens bei der Berechnung der Test- und Planfälle stellen die Ergebnisse eine gute Datenbasis dar, um die Wirkung unterschiedlicher Maßnahmenkonzepte, vor allem im MIV-Bereich, miteinander vergleichen zu können. Maßnahmen zur Förderung des nicht-motorisierten Verkehrs und des Straßenbahnverkehrs werden in den Berechnungen dagegen unterschätzt.

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