Am 21.11.2019 beschloss der Gemeinderat Heidelberg einen
Klimaschutz-Aktionsplan mit 30 Maßnahmen zur Senkung der
Treibhausgasemissionen. Um die Potentiale des Klimaschutz-Aktionsplans zu
ermitteln und die Finanzierung der Maßnahmen in dem anstehenden
Doppelhaushalt 2021/2022 vorzubereiten, beauftragte die Stadt Heidelberg das
UPI-Institut mit der Bilanzierung der CO2-Reduktion
und der Ermittlung der Kosten der Mobilitätsmaßnahmen des
Klimaschutz-Aktionsplans.
Das Gutachten ergab sehr unterschiedliche CO2-Reduktionspotentiale
der einzelnen Maßnahmen und ermittelte mögliche Nebenwirkungen und Hemmnisse bei
ihrer Umsetzung. Einige der Maßnahmen, interessanterweise gerade die für den
Klimaschutz effektivsten Konzepte, würden im Saldo keine Kosten verursachen,
sondern sogar z.T. erhebliche Einnahmen ermöglichen, mit denen z.B. weitere
Klimaschutz-Maßnahmen finanziert werden könnten. (siehe Bild 2)

Bild 2: Kosten und Kosten pro vermiedener t CO2 bei
11 der untersuchten Maßnahmen
Die Größe der Kugeln entspricht der einsparbaren CO
um maximal rund 14% reduzieren. Die Hälfte
dieses Wertes resultiert allerdings aus der Maßnahme „Ferntourismus", die im
Klimaschutzaktionsplan und im Masterplan 100% Klimaschutz bisher nicht
enthalten ist. Das UPI machte in dem Gutachten deshalb Vorschläge für
zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen.
Normalerweise veröffentlichen wir keine internen Vorgänge.
Die Begleitumstände des Umgangs mit diesem Gutachten sind jedoch so
bemerkenswert, dass wir uns entschlossen haben, sie zu veröffentlichen:
Das UPI-Gutachten wurde fristgerecht am 22.2.2021
fertig gestellt und abgegeben und sollte einen Monat später am 24.3.2021 im
Ausschuss für Klima, Umwelt und Mobilität (AKUM) des Gemeinderats und am
17.4.2021 in einem Fachgespräch vorgestellt und veröffentlicht werden,
rechtzeitig vor der Behandlung des nächsten Doppelhaushalts 2021/2022 im
Gemeinderat. (Die Abgabefrist für Anträge zum Doppelhaushalt war am 6.5.2021,
die Verabschiedung des
Doppelhaushalts am 24.6.2021).
Dazu kam es jedoch nicht.
Bisher gestaltete sich die Zusammenarbeit des UPI mit dem
Amt für Verkehrsmanagement (AfVM) der Stadt Heidelberg seit dessen Gründung
im Jahr 2007 konstruktiv und problemlos. Seit 1. November 2020 hat das AfVM
eine neue Leiterin, Frau Bärbel Sauer aus Leonberg. Diese verhinderte am
9.3.2021 die vom federführenden Umweltamt geplante Vorstellung des
Gutachtens im zuständigen Ausschuss des Gemeinderats, das geplante
Fachgespräch musste deshalb abgesagt werden. Erst 7 Wochen danach erstellte
Frau Sauer eine Stellungnahme, in der sie 94 (!) Stellen des 95-seitigen
Gutachtens monierte. Lediglich 2 der 94 Stellen betrafen kleine Fehler, die schnell korrigiert
waren, sie hatten keinen Einfluss auf die Ergebnisse.
Einer der beanstandeten Punkte war, dass das UPI die CO2-Emissionen
des ÖPNV nicht mit Nullemissionen, sondern mit der realen Emission (incl. der
Emissionen aus der Strom- und Treibstoffherstellung) berechnete (Kapitel 3.2 des Gutachtens). Die
gewünschte Berechnung der CO2-Emissionen
des ÖPNV mit Nullemissionen wäre jedoch physikalisch unrichtig und würde die
Ergebnisse mehrerer Berechnungen verfälschen. Das UPI änderte dies deshalb
nicht. Das UPI befindet sich dabei im Einklang mit ähnlichen Berechnungen
anderer Gutachter.
An mehreren Stellen verlangte Frau Sauer die Streichung von
Kapiteln oder Vorschlägen für weitergehende Klimaschutzmaßnahmen. Ein
Beispiel: Auf Anregung von Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner
entwickelte die IG Rad das Sofort-Programm „Radinitiative HD: Regionale
Achsen – SOFORTMASSNAHMEN" zur Verbesserung der Radachsen von Heidelberg in
die Region mit 80 kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen zur Ergänzung der
geplanten Radschnellwege, die erst mittelfristig ab ca. 2025 fertig werden.
Das Sofortmaßnahmen-Programm wurde in der AG Rad am 26.10.2020 vorgestellt
und in Kapitel 14.1 des Gutachtens als Beispiel für weitergehende, schnell
umsetzbare Maßnahmen dargestellt. Frau Sauer schreibt dazu in ihrer
Stellungnahme:
„Das genannte „Sofortmaßnahmenprogramm" zur Aufwertung von
Radachsen gibt es nicht. Es ging nur um einzelne Kleimaßnahmen. Die wurde so
in der AG-Rad im Februar klargestellt und protokolliert."
(Originalzitat)
Alle drei Aussagen von Frau Sauer sind falsch. Das Sofortmaßnahmenprogramm
gibt es natürlich, es kann
hier heruntergeladen werden. Es handelt sich
dabei auch nicht um „einzelne Kleinmaßnahmen", sondern um insgesamt
80 meist streckenbezogene Maßnahmen für insgesamt sechs Fahrradachsen von
Heidelberg in die Region. Und in der AG Rad im Februar wurde dazu auch
nichts klargestellt und im Protokoll der AG-Rad-Sitzung auch nichts
derartiges „protokolliert". Da das Sofortmaßnahmen-Programm von
Frau Sauer in den Haushaltsberatungen verwaltungsintern nicht weitergegeben
wurde, konnten im Doppelhaushalt 2021/2022, der am 24. Juni 2021 beschlossen
wurde, keine Mittel für das Sofortprogramm eingestellt werden. (siehe
Rhein-Neckar-Zeitung vom 26.6.2021, vorletzter Abschnitt)
Die meisten weiteren am Gutachten monierten Punkte bewegten sich auf etwa
folgendem Niveau (Originaltexte von Frau Sauer):
„Wenn der Modal-Shift aufgrund von Fahrradabstellanlagen
nicht bekannt ist, wie kann dann die Aussage getroffen werden, dass deren
Schaffung den Fahrradverkehr fördert?"
„Wo ist der Beleg, dass höhere Parkgebühren zu einem
Modal-shift führen?"
obwohl dies in Kapitel 11 "Parkraumbewirtschaftung mit
verursachergerechten Preisen" (S. 82-88) ausführlich behandelt ist.
„Seite 60, Gehwegparken
Beleg für die Annahme, dass sich die Verkehrsteilnehmer bei konsequenter
Ahndung schnell umstellen würden?"
obwohl genau auf dieser Seite (S. 60 in 1. Aufl., S. 66 in 2. Aufl.) ein
ausführlicher Beleg mit Vorher/Nachher-Vergleich dargestellt ist.
Auch die meisten der restlichen Punkte waren bereits
entweder im Gutachten erläutert oder widerlegt, die restlichen
schnell beantwortet.
Auf Anfrage des Sekretariats des Umweltamts nach möglichen
Terminen für eine Besprechung der Stellungnahme von Frau Sauer machte das
UPI am gleichen Tag 7 Terminvorschläge zwischen dem 28.4. und dem 18.5.2021.
Ausgewählt wurde von Frau Sauer jedoch nur der letzte vorgeschlagene Termin
am 18.5.2021. Damit konnte das Gutachten dem Gemeinderat auch in der
zweiten AKUM-Sitzung nach Abgabe des Gutachtens nicht vorgestellt werden. Der nächste
AKUM-Termin fand dann erst am 30.6.2021 statt, sechs Tage nachdem
der Gemeinderat den Doppelhaushalt für die Jahre 2021 und 2022 verabschiedet
hatte. Auch in dieser Sitzung des zuständigen Gemeinderatsausschusses wurde
das Gutachten nicht vorgestellt. Die nächste AKUM-Sitzung war wegen der Sommerpause erst ein Vierteljahr später am 22.9.2021,
sieben Monate nach Fertigstellung und Abgabe des Gutachtens ! Auch für diese
Ausschusssitzung wurde die Behandlung des Gutachtens wieder von der
Tagesordnung genommen und auf die AKUM-Sitzung am 20.10.2021 verlegt.
Das Beschriebene fand statt genau zwei Jahre nach Ausrufung
des Klima-Notstands in Heidelberg durch den Oberbürgermeister am 9.5.2019.
Aufgrund dieser Situation entschloss sich das UPI, das
Gutachten der interessierten Öffentlichkeit auf diesem Wege zugänglich zu
machen. Den Forderungen von Frau Bärbel Sauer nach Streichung von Kapiteln
und Ergebnissen und nach Änderung von Berechnungen wurde vom UPI nicht
entsprochen. Das Gutachten wurde stattdessen durch relevante
Veröffentlichungen des letzten Vierteljahres und das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz in einer leicht erweiterten 3.
Auflage ergänzt. Interessierte können das Gutachten
hier als PDF (6 MB) herunterladen.