Untersuchung der CO2-Reduktionspotentiale der Mobilitätsmaßnahmen des städtischen Klimaschutz-Aktionsplans in Heidelberg

Bild 1 zeigt die Entwicklung der CO2-Emissionen (ohne Tourismus) in Heidelberg und die vom Gemeinderat Heidelbergs beschlossenen CO2-Minderungsziele. Die rot gestrichelte Linie stellt das ursprüngliche CO2-Minderungsziel in Heidelberg von minus 95% bis zum Jahr 2050 dar. Die durchgezogene blaue Linie zeigt den realen Verlauf der Emissionen in Heidelberg, die blau gestrichelte Linie weitere vom Gemeinderat im November 2019 beschlossene Zwischenziele.

Bild 1: Entwicklung der CO2-Emissionen in Heidelberg (ohne Tourismus) und die beschlossenen CO2-Minderungsziele

Am 21.11.2019 beschloss der Gemeinderat Heidelberg einen Klimaschutz-Aktionsplan mit 30 Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Um die Potentiale des Klimaschutz-Aktionsplans zu ermitteln und die Finanzierung der Maßnahmen in dem anstehenden Doppelhaushalt 2021/2022 vorzubereiten, beauftragte die Stadt Heidelberg das UPI-Institut mit der Bilanzierung der CO2-Reduktion und der Ermittlung der Kosten der Mobilitätsmaßnahmen des Klimaschutz-Aktionsplans.

Das Gutachten ergab sehr unterschiedliche CO2-Reduktionspotentiale der einzelnen Maßnahmen und ermittelte mögliche Nebenwirkungen und Hemmnisse bei ihrer Umsetzung. Einige der Maßnahmen, interessanterweise gerade die für den Klimaschutz effektivsten Konzepte, würden im Saldo keine Kosten verursachen, sondern sogar z.T. erhebliche Einnahmen ermöglichen, mit denen z.B. weitere Klimaschutz-Maßnahmen finanziert werden könnten. (siehe Bild 2)

Bild 2: Kosten und Kosten pro vermiedener t CO2 bei 11 der untersuchten Maßnahmen

Die Größe der Kugeln entspricht der einsparbaren CO2-Menge, die Lage der Kugeln ihren Kosten bzw. Einnahmen (blauer Maßstab). Aufgetragen sind auf der Horizontal-Achse die Gesamtkosten bzw. Gesamteinnahmen der jeweiligen Maßnahme und auf der Vertikal-Achse die Kosten bzw. Einnahmen pro vermiedener Tonne CO2.

Ein weiteres Ergebnis war, dass die Maßnahmen des Klimaschutz-Aktionsplans nicht ausreichen werden, um die Klimaschutzziele Heidelbergs zu erreichen. Insgesamt ließen sich bei Umsetzung aller berechneten Mobilitätsmaßnahmen die CO2-Emissionen im Vergleich zu dem Wert der CO2-Bilanz Heidelbergs im Jahr 2017 in Höhe von 1,09 Millionen t CO2 um maximal rund 14% reduzieren. Die Hälfte dieses Wertes resultiert allerdings aus der Maßnahme „Ferntourismus", die im Klimaschutzaktionsplan und im Masterplan 100% Klimaschutz bisher nicht enthalten ist. Das UPI machte in dem Gutachten deshalb Vorschläge für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen.

Normalerweise veröffentlichen wir keine internen Vorgänge. Die Begleitumstände des Umgangs mit diesem Gutachten sind jedoch so bemerkenswert, dass wir uns entschlossen haben, sie zu veröffentlichen:

Das UPI-Gutachten wurde fristgerecht am 22.2.2021 fertig gestellt und abgegeben und sollte einen Monat später am 24.3.2021 im Ausschuss für Klima, Umwelt und Mobilität (AKUM) des Gemeinderats und am 17.4.2021 in einem Fachgespräch vorgestellt und veröffentlicht werden, rechtzeitig vor der Behandlung des nächsten Doppelhaushalts 2021/2022 im Gemeinderat. (Die Abgabefrist für Anträge zum Doppelhaushalt war am 6.5.2021, die Verabschiedung des Doppelhaushalts am 24.6.2021).

Dazu kam es jedoch nicht.

Bisher gestaltete sich die Zusammenarbeit des UPI mit dem Amt für Verkehrsmanagement (AfVM) der Stadt Heidelberg seit dessen Gründung im Jahr 2007 konstruktiv und problemlos. Seit 1. November 2020 hat das AfVM eine neue Leiterin, Frau Bärbel Sauer aus Leonberg. Diese verhinderte am 9.3.2021 die vom federführenden Umweltamt geplante Vorstellung des Gutachtens im zuständigen Ausschuss des Gemeinderats, das geplante Fachgespräch musste deshalb abgesagt werden. Erst 7 Wochen danach erstellte Frau Sauer eine Stellungnahme, in der sie 94 (!) Stellen des 95-seitigen Gutachtens monierte. Lediglich 2 der 94 Stellen betrafen kleine Fehler, die schnell korrigiert waren, sie hatten keinen Einfluss auf die Ergebnisse.

Einer der beanstandeten Punkte war, dass das UPI die CO2-Emissionen des ÖPNV nicht mit Nullemissionen, sondern mit der realen Emission (incl. der Emissionen aus der Strom- und Treibstoffherstellung) berechnete (Kapitel 3.2 des Gutachtens). Die gewünschte Berechnung der CO2-Emissionen des ÖPNV mit Nullemissionen wäre jedoch physikalisch unrichtig und würde die Ergebnisse mehrerer Berechnungen verfälschen. Das UPI änderte dies deshalb nicht. Das UPI befindet sich dabei im Einklang mit ähnlichen Berechnungen anderer Gutachter.

An mehreren Stellen verlangte Frau Sauer die Streichung von Kapiteln oder Vorschlägen für weitergehende Klimaschutzmaßnahmen. Ein Beispiel: Auf Anregung von Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner entwickelte die IG Rad das Sofort-Programm „Radinitiative HD: Regionale Achsen – SOFORTMASSNAHMEN" zur Verbesserung der Radachsen von Heidelberg in die Region mit 80 kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen zur Ergänzung der geplanten Radschnellwege, die erst mittelfristig ab ca. 2025 fertig werden. Das Sofortmaßnahmen-Programm wurde in der AG Rad am 26.10.2020 vorgestellt und in Kapitel 14.1 des Gutachtens als Beispiel für weitergehende, schnell umsetzbare Maßnahmen dargestellt. Frau Sauer schreibt dazu in ihrer Stellungnahme:

 „Das genannte „Sofortmaßnahmenprogramm" zur Aufwertung von Radachsen gibt es nicht. Es ging nur um einzelne Kleimaßnahmen. Die wurde so in der AG-Rad im Februar klargestellt und protokolliert." (Originalzitat)

Alle drei Aussagen von Frau Sauer sind falsch. Das Sofortmaßnahmenprogramm gibt es natürlich, es kann hier heruntergeladen werden. Es handelt sich dabei auch nicht um „einzelne Kleinmaßnahmen", sondern um insgesamt 80 meist streckenbezogene Maßnahmen für insgesamt sechs Fahrradachsen von Heidelberg in die Region. Und in der AG Rad im Februar wurde dazu auch nichts klargestellt und im Protokoll der AG-Rad-Sitzung auch nichts derartiges „protokolliert". Da das Sofortmaßnahmen-Programm von Frau Sauer in den Haushaltsberatungen verwaltungsintern nicht weitergegeben wurde, konnten im Doppelhaushalt 2021/2022, der am 24. Juni 2021 beschlossen wurde, keine Mittel für das Sofortprogramm eingestellt werden. (siehe Rhein-Neckar-Zeitung vom 26.6.2021, vorletzter Abschnitt)

Die meisten weiteren am Gutachten monierten Punkte bewegten sich auf etwa folgendem Niveau (Originaltexte von Frau Sauer):

Wenn der Modal-Shift aufgrund von Fahrradabstellanlagen nicht bekannt ist, wie kann dann die Aussage getroffen werden, dass deren Schaffung den Fahrradverkehr fördert?"

„Wo ist der Beleg, dass höhere Parkgebühren zu einem Modal-shift führen?"
obwohl dies in Kapitel 11 "Parkraumbewirtschaftung mit verursachergerechten Preisen" (S. 82-88) ausführlich behandelt ist.

„Seite 60, Gehwegparken
Beleg für die Annahme, dass sich die Verkehrsteilnehmer bei konsequenter Ahndung schnell umstellen würden?"

obwohl genau auf dieser Seite (S. 60 in 1. Aufl., S. 66 in 2. Aufl.) ein ausführlicher Beleg mit Vorher/Nachher-Vergleich dargestellt ist.

Auch die meisten der restlichen Punkte waren bereits entweder im Gutachten erläutert oder widerlegt, die restlichen schnell beantwortet.

Auf Anfrage des Sekretariats des Umweltamts nach möglichen Terminen für eine Besprechung der Stellungnahme von Frau Sauer machte das UPI am gleichen Tag 7 Terminvorschläge zwischen dem 28.4. und dem 18.5.2021. Ausgewählt wurde von Frau Sauer jedoch nur der letzte vorgeschlagene Termin am 18.5.2021. Damit konnte das Gutachten dem Gemeinderat auch in der zweiten AKUM-Sitzung nach Abgabe des Gutachtens nicht vorgestellt werden. Der nächste AKUM-Termin fand dann erst am 30.6.2021 statt, sechs Tage nachdem der Gemeinderat den Doppelhaushalt für die Jahre 2021 und 2022 verabschiedet hatte. Auch in dieser Sitzung des zuständigen Gemeinderatsausschusses wurde das Gutachten nicht vorgestellt. Die nächste AKUM-Sitzung war wegen der Sommerpause erst ein Vierteljahr später am 22.9.2021, sieben Monate nach Fertigstellung und Abgabe des Gutachtens ! Auch für diese Ausschusssitzung wurde die Behandlung des Gutachtens wieder von der Tagesordnung genommen und auf die AKUM-Sitzung am 20.10.2021 verlegt.

Das Beschriebene fand statt genau zwei Jahre nach Ausrufung des Klima-Notstands in Heidelberg durch den Oberbürgermeister am 9.5.2019.

Aufgrund dieser Situation entschloss sich das UPI, das Gutachten der interessierten Öffentlichkeit auf diesem Wege zugänglich zu machen. Den Forderungen von Frau Bärbel Sauer nach Streichung von Kapiteln und Ergebnissen und nach Änderung von Berechnungen wurde vom UPI nicht entsprochen. Das Gutachten wurde stattdessen durch relevante Veröffentlichungen des letzten Vierteljahres und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz in einer leicht erweiterten 3. Auflage ergänzt. Interessierte können das Gutachten hier als PDF (6 MB) herunterladen.

Inhalt

Inhalt

Teil A

1 Vernetzung Heidelbergs mit der Region

2 Intermodale Verkehre

3 Berechnung von CO2-Emissionen

3.1 CO2-Emissionsfaktoren der PKW-Flotte

3.2 CO2-Emissionsfaktoren des ÖPNV

3.3 Ermittlung der CO2-Gesamtemissionen

Teil B

4 Steigerung der Fahrgastzahlen im ÖPNV um 20% und fahrscheinloser ÖPNV

4.1 Steigerung der Fahrgastzahlen im ÖPNV um 20% bis 2025

4.2 Fahrscheinloser ÖPNV

5 Job-Ticket, 365 € Ticket

 

5.1 Einführung des Job-Tickets in 50% der Heidelberger Unternehmen bis 2025

5.2 Bewerbung als Modellstadt für die Einführung des 365 € Tickets beim Bund

6 Radschnellwege

7 Sonderbuslinien, Taskforce zum Thema Pendlerströme

8 Umwandlung von Parkplätzen in Fahrradabstellanlagen oder Radverkehrsanlagen

9 Gehwegparken

10 Kostenloser ÖPNV am Wochenende, Erhöhung Parkgebühren um 50%

11 Nahverkehrsabgabe in Höhe von 365 €, Jahreskarte für den ÖPNV für alle Zahlenden

11.1 Bürgerticket

11.2 KFZ-Halter-Abgabe

11.3 Mobilitätspass für Kfz-Nutzer (KFZ-Nutzerabgabe)

12 Parkraumbewirtschaftung mit verursachergerechten Preisen, Ahndung Falschparker

13 Zukünftig verbleibendes Emissions-Budget

14 Weitere Potentiale zur Einsparung von CO2-Emissionen im Sektor Mobilität

14.1 Sofortmaßnahmenprogramm Rad-Initiative Heidelberg

14.2 Beschleunigung des ÖPNV

14.3 Parkhäuser

14.4 Tourismus

15 Kosten 

16 Zusammenfassung